Erfolgsfaktor Unternehmenskultur

Das Thema von Felix Nübel ist Kultur. Unternehmenskultur. Der Senior Manager begleitet Unternehmen der Financial-Services-Branche bei der Transformation hin zu neuen Formen der Arbeit, gebündelt bei zeb im Bereich move. Im Interview erläutert er, welche Bedeutung Kultur hat, wie sie messbar wird und wie sie verändert werden kann.

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Wie ist die Reaktion in den Unternehmen, wenn das Thema Unternehmenskultur auf die Agenda kommt? Gibt es eine Bereitschaft, sich mit dem Thema zu beschäftigen?

Felix Nübel: Bei dem Thema ist fast allen klar, dass es fundamental wichtig ist. Nach Fusionen ist es wie im Brennglas: 90 Prozent der Menschen sagen, dass Kultur ein zentraler Faktor für das Ge- oder Misslingen ist. Und eine ebenso große Menge an Menschen ist dann unsicher, wie dies messbar gemacht werden könnte.

Wie macht man denn Kultur greifbar oder messbar?

Kultur bleibt in gewisser Weise ungreifbar … und gleichwohl messbar. Für mich ist es ganz wichtig, dass man am Anfang gut diagnostiziert. Das machen wir unter anderem mit einer Umfrage, an der sich alle Mitarbeitenden beteiligen können – unserem zeb.Kulturdynamo. Dadurch setzen wir auch das Signal, dass neben vielen Fachthemen auch die kulturelle Integration professionell begleitet wird. Als Zweites ist es wichtig, offene Gespräche mit ausgesuchten Menschen zu führen, um Muster herauszufinden. Dabei ist klar: Jedes Haus hat seine spezifische Kultur, seine Glaubenssätze und Narrative. Es gibt viele unausgesprochene Regeln dazu, was man tut und was man nicht tut.

Aus den Kulturanalysen kommen meistens etwa ein bis zwei Handvoll Geschichten, die prägend sind – zum Beispiel im Hinblick auf einen bestimmten Umgang mit Hierarchie oder auf eine Silostruktur. Das wird schon nach wenigen Interviews sichtbar. Und darüber wird die Kultur in einem Unternehmen dann auch greifbar und letztlich messbar: über die Anzahl und Relevanz der Prozesse und Schnittstellen, an denen diese prägenden Faktoren erfahrbar und handlungsrelevant werden.

Gibt es neben dem strukturierten Vorgehen noch weitere Indikatoren, durch die eine Kultur greifbar wird?

Über die Jahre bekommt man ein Gefühl für Organisationen. Du kommst in den Raum rein, und in gewissen Szenen spürt man die Kultur. Wie ist die Dynamik im Raum? Was sind das für Räume? Gibt es Dialog? Wer interagiert mit wem? Wie sprechen sie einander an? Wie wird man von der Person am Empfang begrüßt? Wo und wie ist der Vorstandsbereich? Achtet jemand darauf, dass es schön ist, dass die Menschen gut arbeiten können? Es gibt hunderttausend kleine Signale, die sich in jeder Organisation zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Und dann braucht es externe Unterstützung, um dies zu adressieren und transparent zu machen.

Erkenntnis ist das eine, Veränderung das andere. Wie geht es nach der Analyse weiter?

Selbsterkenntnis ist bekanntlich der erste Schritt zur Besserung. So gilt es auch bei der Kultur, erst einmal die eigenen Muster kennenzulernen. Das zweite Wichtige ist, das Beobachten vom Bewerten zu trennen. Man muss aus der Bewertungsschleife rauskommen. Dann kann man Unterschiede auch einfach mal stehen lassen. Und damit ist die Basis gegeben für den ganz großen Schlüssel: die Herstellung von Dialogfähigkeit.

Und natürlich ist Kultur nie nur positiv oder negativ. Es gilt dann, die positiven Treiber zu stützen und Hemmnisse für eine organisatorische Weiterentwicklung möglichst abzubauen. Das sind die Voraussetzungen für den Aufsatz eines maßgeschneiderten Kulturentwicklungsprogramms mit einer guten Mischung aus inhaltlichen, dialogischen und erlebnisorientierten Projektbestandteilen.

Und gelingt das immer?

Wir beschäftigen uns mit Organisationen, in denen Menschen 20, 30, manchmal 40 Jahre zusammenarbeiten. Und da gibt es natürlich schon vollständig ausgereifte Konflikte. Wenn das so ist, kommt man oft nicht weiter, ohne den Konflikt vorher zu bearbeiten. Oftmals ist es besser, das Kulturthema mit einem inhaltlichen zu verknüpfen – etwa einer Strategieentwicklung, einem Vertriebskonzept oder einer Prozessmodellierung. In so einem Prozess kann man dann leichter die kulturelle Thematik reflektieren. Kultur zeigt sich immer im Konkreten und nicht so sehr im Allgemeinen.

Nehmen wir das Beispiel agiles Projektmanagement. Das ist erst einmal einfach eine Projektmanagementmethode. Die setzt allerdings voraus, dass die Menschen ein bestimmtes Mindset mitbringen und offen miteinander kommunizieren. Wenn das in einem hierarchischen System eingeführt werden soll, hat man schnell ein Kulturthema.

In Kulturprozessen sind oft Vorstand und Topführungskräfte eingebunden. Wie schafft man es, keine harte Abbruchkante zu den Mitarbeitenden zu schaffen?

Wir versuchen prinzipiell, diagonal zur Hierarchie zu arbeiten. Das heißt: Auch Mitarbeitende binden wir ein. Kulturprojekte bieten sogar eher die Chance dazu. Bei Fusionen etwa ist meist nur ein beschränkter Kreis von Mitarbeitenden eingebunden, viele davon Führungskräfte. Der Kulturteil, der bei Fusionen eminent wichtig ist, bietet die Möglichkeit, mehr Mitarbeitende in der Breite in den Integrationsprozess einzubeziehen.

Wir reden über Kultur in Projekten. Wie verhält es sich, wenn diese Kultur dann auf die Unternehmenskultur trifft?

Ja, da können zwei total unterschiedliche Welten aufeinandertreffen. Man darf keine Angst davor haben, irgendwo auch mal einen Konflikt aufzumachen und den hinterher gut zu bearbeiten. Aber vielleicht ist genau das die Chance, nämlich in einem Projekt mal eine andere Kultur zu etablieren.

Was aber, wenn das Projekt schon vorbei ist?

So schnell geht das nicht. Ein guter Kulturprozess ist etwas, das auf zwei, drei oder gar vier Jahre angelegt ist. Und eigentlich ist das nie ganz vorbei. Wir unterstützen beim Start, bei der Zielsetzung und den wichtigsten Maßnahmen. Das jeweilige Haus muss dann an dem Thema weiterarbeiten. Wir können innerhalb der Projektlaufzeit wichtige Impulse setzen. Dafür sind fluide Zeiten gut geeignet, also etwa Veränderungsprojekte oder Fusionen. Da kann man kulturell meist mehr bewirken als im laufenden Betrieb.

Dass etwas an mangelnder Kultur scheitert, ist offensichtlich. Aber wo ist das positive Bild? Wie sollte Kultur beschaffen sein?

Zunächst einmal ist das Kriterium der psychologischen Sicherheit bzw. der Angstfreiheit ein zentrales Qualitätskriterium. Ist das nicht gegeben, lassen sich die Mitarbeitenden nicht im Sinne einer intrinsischen Motivation aktivieren. Ein weiteres übergreifendes Kriterium für die Qualität einer Unternehmenskultur ist für mich Dialogfähigkeit. Mein Anspruch ist, die Möglichkeit zu geben, über bestimmte kulturelle Dinge überhaupt erst einmal zu reden und das Miteinander auch im Gespräch klarzumachen.

Wenn es nur noch um ein Image von Kolleginnen und Kollegen oder Abteilungen geht, dann nimmt man die anderen nicht mehr in ihrer Vielschichtigkeit wahr. Es wird überhöht und wächst sich aus zum Scheidungsgrund – im Privaten wie im Beruflichen. Im Übrigen kommt es bei der Kultur eher auf die Funktionalität bezüglich der Unternehmensziele und der Leistungsfähigkeit der Organisation an. Eine absolut und allgemeingültig gute Unternehmenskultur gibt es aus meiner Sicht nicht.

Gibt es Kulturunterschiede nach Region oder Größe von Unternehmen?

Bei Fusionen von Regionalbanken geht es um benachbarte Institute – oft aus der gleichen Region und doch mit deutlichen Unterschieden in der Kultur. Es hat sich einfach anders entwickelt – oder wurde von einzelnen Personen so geprägt. Grundsätzlich gilt: Je größer eine Sparkasse oder eine Volksbank wird, desto wichtiger wird es, initial mit dem gesamten Managementteam an der Kulturentwicklung zu arbeiten. Wenn man in der Kultur etwas verändert, stellt sich für die Führungskräfte die Frage, was sie denn verändern wollen und was sie denn glauben, selbst dazu beitragen zu können, wie sie sich selbst verändern müssen, um das Haus zu verändern. Veränderung fängt immer oben an, und am Ende des Tages beginnt die Veränderung einer Organisation immer mit dem veränderten Verhalten einzelner Menschen – vor allem von Führungskräften.

Gibt es typische Befürworter einer Veränderung, bestimmte Abteilungen etwa?

Jedes Haus hat seine eigenen Kraftfelder. Wir müssen immer die Menschen finden, die Gestaltungsmacht oder hierarchische Macht haben und einen Kulturwandel wollen. Wenn man da auf das falsche Pferd setzt, klappt es auch mit der Veränderung nicht.

Ist Kulturwandel eine Frage des Alters?

Eher nicht. Es ist eine Frage der Fähigkeit zur Selbstreflektion. Aber bei denen, die frisch aus dem Studium kommen, ist schon noch mehr Veränderungsbereitschaft im Blut.

 

Take-aways Unternehmenskultur: 

  • Kultur ist zentraler Erfolgsfaktor – vor allem bei Fusionen
  • Gestartet wird mit einer guten Diagnostik
  • Jedes Haus hat spezifische Kulturmuster
  • Zwei Handvoll Geschichten wirken kulturprägend
  • Erster Schritt ist Selbsterkenntnis
  • Beobachtungen müssen von Bewertungen getrennt werden
  • Herstellung von Dialogfähigkeit ist das Kernziel
  • Manifeste Konflikte müssen vorher bearbeitet werden
  • Kulturthema am besten mit inhaltlichen Themen verbinden
  • Mitarbeitende verschiedener Hierarchiestufen einbinden
  • Unterstützung von Personen mit Gestaltungs- oder Hierarchiemacht gewinnen
  • Themen müssen klar angesprochen werden

 

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Transformation ist eines der Managementschlagworte dieser Zeit. Veränderung ist allgegenwärtig – sei es durch Digitalisierung, durch stärkeren Kostendruck, Demografie oder den Umbau der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität. Mit der Veränderung umzugehen, erfordert Transformationskompetenz. Diese Kompetenz hat zeb im Angebot move gebündelt.

 

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„Wir versuchen prinzipiell, diagonal zur Hierarchie zu arbeiten.“
Felix Nübel, Senior Manager zeb